Wir lieben die Küste und zur Küste gehört auch Sturm… und so gehört ihm unsere heutige BeSeaside-Kolumne von unserem wasserfesten Jan Hendrik Cross:
Was zog & zieht da bloß über Deutschland hinweg? Es peitscht ein Orkantief nach dem anderen den Regen mit einer schier unglaublichen Wucht gegen die Fenster. Da ist viel Kraft und (leider) auch Zerstörung.. doch birgt dieser Wind nicht auch eine unglaubliche Faszination? Der Wind-zerzauste Sylt-Urlauber spricht in den Nachrichten sogar vom „phänomenalen Erlebnis!“ (während ein Stück weiter mal wieder ein Stück „der Insel“ an das Meer verloren geht..)
Auf einmal war er da: Elon. Der Männer-Vorname bedeutet aus dem Afrikanischen übersetzt “Gott liebt mich”. Es grenzt an Blasphemie, zu sagen, dass Elon ein nett gemeinter Gruß von oben war. Immerhin hat Elon, seineszeichens das erste kräftige Sturmtief des Jahres 2015, Deutschland ganz schön durcheinandergebracht. Kaum eine Zeitung oder Nachrichtensendung, die Elon nicht thematisierte. Er hat in der letzten Woche vor allem im Norden seine Spuren hinterlassen. Über Sylt fegte Elon mit Windgeschwindigkeiten von bis zu 163 Kilometer pro Stunde hinweg, was Windstärke 14 entspricht! Doch seine Bekanntheit scheint schon vom Winde verweht, denn am Samstag hat Felix Elon beerbt – und der legte nochmal einen drauf.
Nach Elon kommt Felix – der macht vor allem Sturmtouristen glücklich.
Der Name Felix kommt aus dem Lateinischen und kann mit “der Glückliche” übersetzt werden. So richtig glücklich über den Glücklichen ist aber auf dem ersten Blick niemand. Zugegebenermaßen, das war abzusehen. Selten springen die Menschen bei der Ankündigung eines Orkantiefs in die Luft. Und wenn im Radio vor den Nachrichten die standardisierte Ansage: “Es folgt eine Unwetterwarnung” zu hören ist, herrscht ob der schieren und unvorstellbaren Gewalt so mancher Stürme Stille in vielen Räumen. Ist Felix also eher “der Unbeliebte” als “der Glückliche”? Nicht unbedingt. Denn für die sogeannten Sturmtouristen ist die Unwettersaison im Winter die liebste Jahreszeit von allen. Doch wer sind diese Sturmtouristen, die jeden Sommerurlaub unter Palmen liebend gern gegen meterhohe Wellen an der deutschen Küste eintauschen?
Der Sturmtourist: Ein Kurzportait
Wie erkennt man einen Sturmtouristen? Er unterscheidet sich in seinem Ziel nicht von all den anderen Meer-Urlaubern, denn auch er will abschalten, seine Ruhe finden. Er will die Umgebung genießen, am Meer durchatmen. Doch der Sturmtourist liebt nicht die Ruhe der See, das sanfte Rauschen, wonach viele Urlauber suchen. Der Sturmtourist hat seine größte Freude an stürmische Wellen, die mit der ihr gegebenen Gewalt gegen die Brandung prasseln. Er stört sich nicht an Regen, der in seine Richtung peitscht. Seine BeSeaside-Momente starten, wenn er sich seine regendichte, gefütterte Jacke überzieht, die Pension, das Hotelzimmer oder das Ferienhaus hinter sich lässt und sich seinen Weg in Richtung Strand bahnt. Die Kapuze fest über den Kopf gezogen, die Knöpfe der Jacke vor dem Gesicht verschlossen. Oft kann man lediglich seine Augen erkennen, wenn er sich zielstrebig dem Tosen des Meeres nähert. Was sich im ersten Moment verschroben anhört, füllt sich bei genauerem Hinsehen mit Sinn. Wann sind die Promenaden an der Küste so leergefegt wie bei einem Sturm? Nur vereinzelt erkennt man Sturmtouristen in ihren bunten Regenjacken, wie sie sich an der Kraft des Sturms erlaben. Trifft man einen, grüßt man sich. Man kennt sich, man fühlt sich verbunden – obwohl maximal die Augen des Gegenübers zu erkennen sind. Für die Sturmtouristen kann das Sprichwort “in der Ruhe liegt die Kraft” sehr leicht abgewandelt werden: “Im Sturm liegt die Kraft!”
Die Ruhe & Gelassenheit kann man sich von den Küstenbewohnern abschauen
So ein Sturm haut an der deutschen Küste vor allem die Einwohner nicht um. Bis zur Windstärke sechs werden Wattwanderungen angeboten. Und bis die Fischer ihre morgendliche Arbeit ruhen und ihr Boot im Hafen liegen lassen, muss der Sturm schon eine gewaltige Kraft haben. Mit ihrer urtypischen Gelassenheit wird so manches Orkantief als “steife Brise” geradezu lächerlich gemacht. Doch wir alle können uns eine Scheibe abschneiden von den Bewohnern der Küste, von ihrem lässigen Gemüt. Wie sie genüsslich ihren Friesentee trinken, während der Radiosprecher die Unwetterwarnung ausspricht. Wie sie mit aller Ruhe und Zufriedenheit ihr Leben weiterlaufen lassen, während die Wellen mit einer Wucht auf die Brandung gepeitscht werden und einzelne Tropfen mit dem Regen vermischt an den Fensterscheiben landet. Sie haben Respekt vor den Naturgewalten, aber schon längst keine Angst mehr. Die Deiche sind hoch und stabil gebaut, der Schutz verlässlich. Und ändern können sie an der Situation sowieso nichts.
Woher der Wind kommt
Von einem Sturm spricht man ab der Windstärke neun auf der Beaufortskala. Hier hat der Wind bereits Geschwindigkeiten von 75 bis 88 Km/h erreicht. Solche Stürme entstehen durch das Aufeinanderprallen von verschiedenen Druckgebieten. Ab der Windstärke zwölf (ab 117 Km/h) sprechen Meteorologen von einem Orkantief – sowohl Elon als auch Felix fallen unter diese Kategorie, ausgelöst durch ein Tiefdruckgebiet über Island. Mit dem Orkantief kommt auch die Sturmflut: An der Nordseeküste soll zum Beispiel in Büsum das Wasser zwischen zwei und zweieinhalb Meter über dem Normalbereich stehen. Wer nicht am Meer ist, aber dennoch das Naturereignis miterleben will, dem bleibt eine Alternative. Zahlreiche Städte an der Küste bieten Livecams an, die ein Bild über den aktuellen Zustand bieten. So kann man auch vom Bett aus ein Sturmtourist sein!
P.S.: Was sind Eure Tipps für stürmische Tage?
Eine gelassene Woche mit vielen BeSeaside-Momenten wünscht Euch
Jan Hendrik Cross & BeSeaside